Schamberger, Caspar

Caspar Schamberger (1.9.1623-8.4.1706) aus Leipzig ist als erster deutscher Arzt Ende 1649 in Deshima angekommen sein.

Er war Teilnehmer an der jährlichen Reise zum Hof des Shoguns, wo er aufgrund seiner medizinischen Fähigkeiten auffiel und über ein halbes Jahr verbrachte (vgl. Kreiner 1984:17; Vianden 1984:91). Obwohl er am 1.11.1651 Dejima wieder verließ, war sein Einfluß auf die Entwicklung der japanischen Chirurgie erheblich, da sich auf seine Lehren hin eine eigene Medizinschule gründete, "die als kasuparu-ryū-geka 'Caspar-Schule der Chirurgie' [カスパル流外科] bekannt wurde" (Vianden, ibid.).

Der von ihm hinterlassene Eindruck auf japanische Mediziner löste ein starkes Interesse am Rangaku (蘭学), der "holländischen Studien", aus. Bisher stand die japanische Medizin in der überlieferten chinesischen Tradition (Kampō igaku, 漢方医学).

Diese schrieb dem menschlichen Körper eine geringere Rolle zu als der des Qi/Ch'i ( = Energie, Pneuma, Atem) und der Lehre von der Harmonie von Yin und Yang im Makro- (Welt) und Mikrokosmos (Mensch). So postulierte die chinesische Medizintradition u.a. eine Entsprechung der Fünf Elemente (Feuer, Metall, Wasser, Holz, Erde) in den Fünf Organen (Herz, Lunge, Nieren, Leber, Milz), der vier menschlichen Glieder in den vier Jahreszeiten, der zwölf Gelenke in den zwölf Monaten und der 360 Knochen des Menschen in den 360 Grad des Himmelskreises (vgl. Goodman 1984:73).

Diese rationalistischen Ideen, aus einer intelligenten, aber nicht weniger spekulativen kosmologischen Weltanschauung geboren, trafen im Wirken des Chirurgen Schamberger auf Gedankengut des in Europa des Barockzeitalters aufkeimenden Empirismus, der die Medizin sich vom Einfluß der Astrologie und der Vier-Säfte-Lehre, wonach Krankheiten durch Ungleichgewichte der vier Säfte entstehen, emanzipieren ließ.

Das geistige Fundament der "holländischen" Chirurgie interessierte die pragmatisch vorgehenden japanischen Meidziner weniger: So übernahmen die japanischen Mediziner in der Nachfolge Schambergers die von Wilhelm Harvey (1578-1657) erarbeitete Theorie der Blutzirkulation als gegebenen Bestandteil westlicher Chirurgenkunst ohne die experimentelle Methodologie oder theoretischen Prämissen zu erkennen oder sich für die Entwicklung einer eigenen Forschung zu Nutze zu machen (vgl. Goodman 1984:70-72). Erst Yamawaki Toyo (山脇 東洋, 1705-1762), der als erster japanischer Arzt eine Obduktion 1754 vornahm, und sein Schüler Yoshimasu Tōdō (吉益 東洞, 1702-1773) widersprachen, nicht zuletzt aufgrund des Zugangs zu "holländischer" Medizinliteratur, der chinesischen Anatomie und wiesen dies aufgrund ihrer Befunde nach (vgl. Deal 2006:235; Goodman 1984:75).

Nichtsdestotrotz hat Schamberger eine Entwicklung ausgelöst, die in kleinen Schritten zu einer geistigen Emanzipation von den starren Regeln des Tokugawa-Regimes führte. Dies schuf die Voraussetzungen dafür, daß in späteren Jahrzehnten Ärzte wie Engelbert Kaempfer oder Philipp Franz von Siebold auf eine hohe Bereitschaft zur Rezeption westlichen Gedankenguts im Bereich der Medizin, aber auch darüber hinaus, bei ihren Japan-Aufenthalten stießen.

Schamberger selbst war 1655 nach Leipzig als wohlhabender Mann zurückgekehrt, wo er das Bürgerrecht erwarb. Als er am 8.4.1706 starb war sein Sohn Christian Professor der Medizin und Rektor der Universität zu Leipzig. Schambergers Reisetagebuch wurde nie veröffentlicht und ging verloren (vgl. Michel 2005:557). [ar]

 

Lit. Deal, W.E. (2006): Handbook to Life in Medieval and Early Modern Japan, Facts on File Library of the World, New York:Facts on File 2006; Goodman, G.K. (1984): Dutch Studies in Japan Re-examined, in: Deutschland-Japam. Historische Kontakte, hg. v. J.Kreiner, Studium Universale Bd.3, Bonn:Bouvier 1984, S.69-88; Kreiner, J. (1984): Deutschland-Japan. Die frühen Jahrhunderte, in: Deutschland-Japan. Historische Kontakte, hg. v. J.Kreiner, Bonn:Bouvier 1984, S.1-54; Michel, W. (2005): Schamberger, Caspar, in: Neue Deutsche Biographie Bd. 22, Berlin:Duncker& Humblot, S.556-557; Vianden, H. (1984): Deutsche Ärzte im Japan der Meiji-Zeit, in: Deutschland-Japan, a.a.O., S.89-113; Bildquelle: Caspar Schamberger (1623-1706). Bildquelle: Kupferstich von Martin Bernigeroth, Leipzig 1706, http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Caspar_Schamberger_170, abgerufen: 1.9.2016

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